Auch auf den Gebieten der gewerblichen Schutzrechte („geistiges Eigentum“) wird der Brexit voraussichtlich erhebliche Auswirkungen haben:
Marken und Designs
Dies betrifft zunächst den Markenschutz. Hier setzen viele Unternehmen inzwischen schon lange auf die Unionsmarke, die Schutz in allen 28 EU-Mitgliedstaaten gewährt (bislang auch im Vereinigten Königreich). Solange das Vereinigte Königreich in der EU ist, ändert sich hieran nichts. Der bisherige Schutz im Vereinigten Königreich besteht also bis auf Weiteres unverändert fort. Es finden auch weiterhin dieselben Vorschriften Anwendung. Dies gilt auch für neue Unionsmarken, die nach dem Referendum und künftig bis zu einer Rechtsänderung angemeldet/eingetragen werden. Mit Wirksamwerden des Austritts wird aller Voraussicht nach dann aber auch der Markenschutz aus Unionsmarken im Gebiet des Vereinigten Königreichs enden. Für wahrscheinlich gehalten wird derzeit, dass ein Mechanismus vereinbart wird, der es Inhabern von Unionsmarken ermöglicht, für das Gebiet des Vereinigten Königreichs ersatzweise einen Schutz durch entsprechende nationale Marken (oder IR-Marken) mit gleichem Prioritätsdatum zu erwerben. Im Moment ist allerdings noch völlig offen, welchen Inhalt eine solche Regelung gegebenenfalls haben wird. Fest steht lediglich, dass Unternehmen jetzt und in Zukunft jederzeit nationale Marken im Vereinigten Königreich anmelden und IR-Marken auf das Vereinigte Königreich erstrecken können. Voraussichtlich spätestens ab Wirksamwerden des Austritts wird es bei neuen Marken für das Gebiet des Vereinigten Königreichs auch wieder erforderlich sein, durch Anmeldung einer nationalen Marke oder Erstreckung einer IR-Marke Schutz zu erlangen.
Auch was die gerichtliche Durchsetzung von Unionsmarkenrechten vor britischen Gerichten angeht, ändert sich zunächst nichts an der Möglichkeit, im Vereinigten Königreich zu klagen. Vorsicht dürfte aber insoweit künftig vor allem geboten sein, soweit in künftigen Verfahren, bei denen eine längere Dauer absehbar ist, unionsweite Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Es ist nämlich derzeit nicht absehbar, ob, wie lange und in welchem Umfang britische Gerichte nach dem EU-Austritt ihre Zuständigkeit in solchen Verfahren (insbesondere im Hinblick auf andere EU-Mitgliedstaaten) behalten werden.
Was die Frage der markenrechtlichen Erschöpfung angeht, gilt derzeit in der EU das Prinzip der „europaweiten Erschöpfung“, wonach ein erstmaliges Inverkehrbringen einer Ware im EWR durch den oder mit Zustimmung des Rechtsinhabers dazu führt, dass dieser im Grundsatz keine markenrechtlichen Ansprüche gegen einen Weitervertrieb der Ware geltend machen kann.
Sollte das Vereinigte Königreich nach dem Austritt aus der EU Mitglied des EWR werden, wird es bei dieser Regelung bleiben, da das EWR-Abkommen dies so vorsieht (Art. 65 Abs. 2 des EWR-Abkommens in Verbindung mit Art. 2 des Protokolls 28). Sollte das Vereinigte Königreich dagegen dem EWR nach dem EU-Austritt nicht angehören, kann für das britische Gebiet auch eine andere Erschöpfungsregelung getroffen werden (beispielsweise eine „weltweite Erschöpfung“).
Auch registrierte Gemeinschaftsgeschmacksmuster werden als solche nach dem Austritt voraussichtlich nicht mehr für das Gebiet des Vereinigten Königreichs wirken. Auch hier ist eine Regelung wahrscheinlich, die Inhabern solcher Geschmacksmuster nach dem Austritt die Möglichkeit der Erlangung eines entsprechenden nationalen Designschutzes im Vereinigten Königreich geboten werden wird. Welcher Mechanismus hierfür gegebenenfalls gewählt wird, ist derzeit aber noch offen. Ebenso offen ist, ob Inhabern unregistrierter Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach dem Austritt im Vereinigten Königreich noch ein vergleichbarer Schutz geboten werden wird.
Patente
Momentan auch unklar ist das Schicksal des für 2017 geplanten Starts des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) und des zugehörigen Einheitspatentgerichts.
Das Gutachten 1/09 des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Jahr 2011 wird überwiegend so verstanden, dass an dem neuen Patentsystem nur EU-Mitgliedsstaaten teilnehmen können. Danach wird der Brexit das Vereinigte Königreich von dem neuen Patentsystem ausschließen. Die für London vorgesehene Abteilung der Zentralkammer des Einheitspatentgerichts (Pharma und Biotech) muss dann verlagert werden. Im Gespräch sind vor allem Italien und die Niederlande, aber auch Deutschland.
Auch wenn das neue Patentsystem ohne das Vereinigte Königreich weniger attraktiv ist, ist fest davon auszugehen, dass der Brexit den Start des neuen Systems nicht verhindern, sondern allenfalls verzögern, wird. Daher hat das für die Implementierung des Einheitspatentgerichts zuständige „Preparatory Committee“ seine Arbeiten, etwa den bereits angelaufenen Prozess der Richterauswahl für das Einheitspatentgericht, nicht gestoppt und in einer Mitteilung vom 30. Juni 2016 festgestellt: „At this stage it is too early to assess what the impact of this vote on the Unified Patent Court and the Unitary Patent Protection eventually could be.“
Der von Praktikern (insbesondere den britischen) überwiegend favorisierte Ansatz sieht so aus, dass das Vereinigte Königreich zunächst ratifiziert, und die Frage des Verbleibs oder Ausscheidens des Vereinigten Königreichs im bzw. aus dem neuen Patentsystem dann im Zusammenhang mit dem verhandelten Austritt geregelt wird. Dabei wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass es rechtlich doch möglich sein kann, dass das Vereinigte Königreich im neuen Patentsystem verbleibt.
Wird es entgegen diesem Ansatz das Abkommen nicht ratifizieren und das Austrittsverfahren einleiten, wird sich der Start des neuen Patentsystems um mindestens zwei Jahre, nämlich für die Dauer der Austrittsverhandlungen, verzögern.
Schließlich hat der Brexit auch Auswirkungen auf bestehende und künftige Verträge mit IP-Bezug. Dies gilt beispielsweise für Lizenzverträge über gewerbliche Schutzrechte. Soweit die Definition des Lizenzgebiets sich auf die EU bezieht, gehört das Vereinigte Königreich derzeit weiterhin dazu. Für die Zukunft – insbesondere die Zeit nach dem Austritt – stellt sich bei bestehenden Verträgen die im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung zu beantwortende Frage, ob die Bezugnahme auf die EU dynamisch zu verstehen ist, sich also auf das Gebiet der EU in seiner jeweiligen Ausdehnung bezieht, oder statisch (also bezogen auf das Gebiet der EU zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses). Bestehen hieran Zweifel, kann es sich im Einzelfall empfehlen, mit dem Vertragspartner zur möglichst frühzeitigen Klärung solcher Zweifelsfragen Kontakt aufzunehmen. Bei allen neuen Verträgen sollte ab sofort ausdrücklich klargestellt werden, ob ein als EU definiertes Vertragsgebiet nach Ausscheiden des Vereinigten Königreichs noch dieses Land umfassen soll oder nicht.